
Überarbeiteter DGE-Qualitätsstandard für die Seniorenverpflegung
Ein Interview mit Theresa Stachelscheid, Referat Gemeinschaftsverpflegung und Qualitätssicherung bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)
Liebe Frau Stachelscheid, wenn man das Wort „Standard“ hört, dann denkt man an ein festes Regelwerk. Was genau hat es mit den DGE-Qualitätsstandards auf sich?
Theresa Stachelscheid (TS): Die DGE-Qualitätsstandards für die Gemeinschaftsverpflegung gibt es seit mehr als 10 Jahren. Seit jeher ist es deren zentrales Anliegen, Verpflegungsverantwortliche in verschiedenen Lebenswelten – von der Kita bis zur Senioreneinrichtung – dabei zu unterstützen, ein genussvolles, gesundheitsförderndes und nicht zuletzt nachhaltiges Verpflegungsangebot zu schaffen. In der Seniorenverpflegung richtet sich der entsprechende DGE-Qualitätsstandard u. a. an verantwortliche Mitarbeitende aus den Bereichen Küche, Pflege und Hauswirtschaft, aber auch an solche des Qualitätsmanagements und an die Träger. Die im Werk aufgeführten Kriterien setzen den Maßstab für eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Verpflegung. Sie bilden damit einen wissenschaftsbasierten Rahmen für den Praxisalltag, der jedoch flexibel ausgestaltet werden kann. In die nun überarbeiteten DGE-Qualitätsstandards sind nicht nur aktuelle ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch zahlreiche Rückmeldungen aus der Verpflegungspraxis eingeflossen.
Der „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung mit ,Essen auf Rädern‘ und in Senioreneinrichtungen“ ist im Herbst 2020 in neuer Auflage erschienen. Was wurde darin überarbeitet?
TS: Neben inhaltlichen und strukturellen Änderungen ist eine grundlegende Neuerung die Zusammenlegung von zwei Werken zu einem: Früher gab es einen DGE-Qualitätsstandard für stationäre Senioreneinrichtungen und einen für Essen auf Rädern. Wir haben die Informationen für beide Bereiche in der neuen Auflage gebündelt. Das gelang, weil es viele inhaltliche Parallelen gibt, etwa bei den Kriterien für eine optimale Lebensmittelauswahl. Die sind für beide Bereiche identisch. Die thematische Bündelung in einem Band macht es für unsere Nutzer nun leichter und praktischer, mit dem DGE-Qualitätsstandard zu arbeiten. Ein weiteres Ziel der Überarbeitung war es, die Lesefreundlichkeit zu erhöhen. Wir haben daher u. a. grafische Symbole sowie mehr Abbildungen und Tabellen eingesetzt, um spezifische Inhalte besser auffindbar und erfassbar zu machen.
Welche Aspekte der Seniorenverpflegung nimmt der DGE-Qualitätsstandard in den Fokus?
TS: Ein zentraler Schwerpunkt ist natürlich die Gestaltung der Verpflegung. Gegliedert ist das entsprechende Kapitel nun entlang der Prozesskette, von der Planung bis zur Entsorgung. Wir führen darin Kriterien z. B. zur optimalen Auswahl und Einsatzhäufigkeit von Lebensmitteln im Speiseplan auf. Thematisiert wird auch die Verpflegung bei besonderen Anforderungen wie Mangelernährung oder Schluckstörungen. Daneben werfen wir den Blick sprichwörtlich über den Tellerrand, beschäftigen uns mit Genussbedingungen wie der Gestaltung der Essumgebung, der Kommunikation rund um das Verpflegungsangebot und nicht zuletzt mit der aktiven Einbeziehung der Senioren.
Schließlich legen wir auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verpflegung dar und führen relevante Gesetze und Verordnungen sowie rechtlich unverbindliche Auslegungshilfen auf.
Welche Themen im Bereich der Verpflegung älterer Menschen wurden überarbeitet oder sind neu hinzugekommen?
TS: Zum einen ist das Thema Nachhaltigkeit nun deutlich präsenter. Bislang gab es dazu ein einzelnes kurzes Kapitel, jetzt wurde die Nachhaltigkeit dem Aspekt der Gesundheitsförderung gleichgestellt und somit tauchen Nachhaltigkeitsaspekte nun über mehrere Kapitel hinweg auf. Neu ist auch das Kapitel 2 zur Qualitätsentwicklung. Die Entwicklung von Verpflegungsqualität ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, an der alle verantwortlichen Bereiche und Professionen sowie die älteren Menschen selbst zu beteiligen sind.
Kurz dazwischengefragt: Wie kann der DGE-Qualitätsstandard dabei praktisch Hilfe leisten?
TS: Die Kriterien des DGE-Qualitätsstandards beschreiben eine optimale Verpflegungssituation, der sich jede Einrichtung Schritt für Schritt nähern kann. Wichtig ist uns, die Einrichtungen dort abzuholen, wo sie gerade stehen und sie mit dem DGE-Qualitätsstandard auf ihrem Weg zu dieser optimalen Situation zu begleiten. Es gibt dazu am Ende des Werkes übrigens eine Checkliste, die auch auf der DGE-Webseite Diese führt alle Kriterien des DGE-Qualitätsstandards zusammen. Damit kann der eigene Ist-Zustand schnell erhoben und Entwicklungspotenzial aufgedeckt werden.
Neu im Kapitel zur Gestaltung der Verpflegung ist u. a., dass nun erstmals Kriterien für das Angebot einer ovo-lacto-vegetarischen Kost integriert und Einsatzhäufigkeiten für Hülsenfrüchte sowie für Nüsse und Ölsaaten aufgestellt wurden. Damit wird deren Bedeutung für eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Verpflegung stärker herausgestellt. Aufgegriffen wurde außerdem das Thema Nudging, ein Trendthema nicht nur in der Seniorenverpflegung. Im Wesentlichen geht es hierbei darum, die gesundheitsfördernde und nachhaltige Speiseauswahl leichter zu machen. Hierzu finden sich praktische Informationen und Tipps.
Können sich Einrichtungen oder Anbieter von Essen auf Rädern eigentlich nach dem DGE-Qualitätsstandard zertifizieren lassen?
TS: Ja, diese Option gibt es. Wer sich zertifizieren lassen möchte, wird von der Zertifizierungsstelle der DGE begleitet und auditiert. Mit einem Zertifikat und Logoschild, die nach bestandenem Audit übergeben werden, können zertifizierte Caterer, Senioreneinrichtungen und Anbietende von „Essen auf Rädern“ ihr Speisenangebot bewerben. Das macht ihr Engagement für gute Verpflegung nach außen sichtbar und kann ein Image- und Wettbewerbsvorteil sein.
Der neue DGE-Qualitätsstandard ist auf Ihrer Webseite fitimalter-dge.de zu finden. Was bietet Ihre Seite BesucherInnen noch?
TS: Eine bunte Mischung an Fachinformationen zur Ernährung und Verpflegung im Alter, die sich vor allem an Verpflegungsverantwortliche richten, daneben aber auch eine Rezeptdatenbank sowie ein Medienportfolio zum Herunterladen und Bestellen u. a. des DGE-Qualitätsstandards, von Informationsbroschüren für Pflegefachkräfte aber auch der oben genannten Checkliste.
Vielen Dank für diesen spannenden Einblick und für Ihr weiteres Engagement alles Gute!

Über IN FORM: IN FORM ist Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Sie wurde 2008 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiiert und ist seitdem bundesweit mit Projektpartnern in allen Lebensbereichen aktiv. Ziel ist, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Menschen dauerhaft zu verbessern. Weitere Informationen unter: www.in-form.de